Hänschen klein...

 

Ein Grundmotiv als Bild der Inititiation als Prozess des Erwachsenwerdens ist das Lied "Hänschen klein" aus dem 18.Jahrhundert. Zu gegebener Zeit ist dazu noch mehr zu schreiben. Ein "ZEIT" Artikel war Inspiration zur Thematisierung von "Hänschen klein" in Zusammenhang mit Kriminalität.


Nach einer Sonntagmorgenlektüre am 5.3.2017 in der ZEIT schrieb ich folgende Gedanken:

 

Kriminalität und Würde – Hänschen klein in der Justiz 

 

Zeit Nr.10 vom 2.März 2017. Im Artikel „Die Ungehörten“ nimmt ein Staatsanwalt Stellung zu Fehlentwicklungen in der Justiz: „Das Dogma in deutschen Gerichtssälen ist, dass ein Verbrecher eigentlich kein Verbrecher ist, sondern ein Opfer. Schwere Jugend, schlechter Einfluss, was auch immer. Die Gesellschaft war böse zu ihm, und deswegen müssen wir ihm jetzt helfen und ihn als armen Erkrankten behandeln und nicht als den Verbrecher, der er ist.“

 

Zeit: Es gibt verschiedene Gründe, weshalb der Staat einen Menschen bestraft. Einer wäre Vergeltung, ein anderer der Schutz der Gesellschaft vor gefährlichen Menschen. …. In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht 1973 entschieden, dass ein Straftäter sogar einen Anspruch auf Resozialisierung hat – dies leite sich aus seiner Menschenwürde ab.

 

Staatsanwalt: Ich kann einfach nicht einsehen, warum uns das Gesetz dazu zwingt, einen Straftäter, den wir für gefährlich halten, wieder auf die Menschheit loszulassen. Das müsste man ändern, um die öffentliche Sicherheit zu erhöhen. Dazu dürfte man den Täter aber nicht als armes Opfer betrachten, dass schnell wieder in Freiheit gehört. Man müsste sagen: Dieser Täter ist gefährlich. …. Über diese Schwelle gehen wir nicht. Das widerspricht unserer Freiheitsideologie.

 

Was hat dieser Ausschnitt mit „Hänschen klein“ zu tun? Wir könnten einen „Täter“ wie einen Erwachsenen  behandeln, der Verantwortung für sein Handeln übernehmen kann und muss, entsprechend der Würdigung seiner Schuld – so wie Hans nach den Verwirrungen seines Lebens gezeichnet ist von seiner Reise zum Erwachsen werden (ursprüngliche „Hänschen klein“ Fassung).  Das gäbe ihm meines Erachtens die Würde zurück, die er durch seine kriminellen Taten verletzt oder gar verloren hat. Die Rechtsprechung der deutschen Justiz macht aus dem Kriminellen jedoch ein „Hänschen“. Mutter „Justiz“ weinet sehr, hat ja gar kein „Hänschen“ mehr, da besinnt sich das reuige „Kind“ (der Täter macht sich klein) und Mama „Rechtsstaat“ geht lieb und fürsorglich mit ihm um und verschont ihn mit schlimmen Konsequenzen. Die Gefahr kommt jedoch jetzt auf, dass der Täter sich in der Seele nicht hinreichend für seine Taten gewürdigt fühlt und „Mama“ Staat auf der Nase herumtanzt – bis Papa endlich reagiert und sei es in Form von Schicksal: Tod. Schuld braucht Würdigung, Konsequenz, damit der Täter seine Würde, seine Ehre wiederbekommen kann. Auch das ist gemeint mit dem Ruf nach einem starken Staat. (Und natürlich heisst angemessene Würdigung der Tat auch Würdigung der Opfer!)

 

Das spüren insbesondere die eingefleischten Kriminellen, die kaum erreichbar sind mit den Methoden deutscher Resozialisierung, z.B. die libanesischen, kurdischen Familienclans oder die Kriminellen, die zum Teil sich als „Hänschen“ verkleidet unter die Flüchtlinge mischen und jetzt zum Thema der Politik werden. Wie viele Polizisten können ein Lied davon singen, dass sich Kriminelle über die deutsche Justiz lustig machen. Ich selbst haben in der Drogentherapie die Doppelbödigkeit erleben und erleiden dürfen, mit der kriminelle Drogenabhängige gerne mit §35 die mütterliche Resozialisierung in Anspruch nahmen, jedoch nur ein Teil von Ihnen sich zumindest ernsthaft einer konsequenten Therapie stellte. Und das Behandlungssystem, das abhängig ist von Belegung zur Existenzsicherung, läuft Gefahr, sich von den Kriminellen in Geiselhaft nehmen zu lassen.

 

Auf die Verweichlichung und den Verlust  erwachsener und auch väterlicher Reaktion auf Kriminalität in der Justiz reagiert nicht umsonst die „Volksseele“ – auch in Form der nationalen und autoritären Bewegungen.

 

Und auch deshalb braucht es eine neue Form von „Nüchternheit“ in der Gesellschaft. Für diese Qualität wurde Angela Merkel geschätzt. Jedoch gerät Sie vielleicht auch deshalb jetzt in die Krise, weil „Nüchternheit“ ohne „Lebendigkeit, Emotionalität und Schicksal“ nicht ausreicht. Nüchternheit ist mehr als Abstinenz! Und Nüchternheit beinhaltet die Wahrnehmung und Empathie für die Seele - auch die der Männer. 

 

Für mich stehen die rechten Bewegungen auch für die Krise der Männlichkeit. Männliche Nüchternheit ist in einer neuen Qualität gefordert. Martin Schulz schien diese Qualität als trockener Alkoholiker mitzubringen. Ich vermute, dass er deshalb zunächst so gut ankam, weil er nüchterne Lebensbewältigung mit seinem Schicksal als trockener Alkoholiker verkörpert – und das auf männliche Weise. Und doch widerfuhr ihm, was vielen Hoffnungsträgern zuvor geschah: Er enttäuschte, schaffte nicht ein reifes Profil durchzuhalten, dem man vertrauen konnte.

 

Angela Merkel stand als ehemalige DDR-Bürgerin und Frau auch für die Emanzipation der Frauen und verkörperte sie auf populäre Weise – als Heldin.Und sie gilt als nüchtern und gelassen; doch auch sie kann nicht alle Wünsche erfüllen - insbesondere nicht als mütterlich/väterlich Orientierung gebende Kommunikatorin.

 

So steht meines Erachtens  die Emanzipation des Mannes weiter auf der Tagesordnung - vielleicht auch im Zusammenhang mit neuen Krisen: Der gekränkte Mann hat in Präsident Trump noch einmal einen Repräsentanten bekommen - sein Erfolg war meines Erachtens auch die Antwort auf die erlebte massive Kränkung von Trump durch Expräsident Obama ein paar Jahre zuvor und die Mobilisierung der Massen gekränkter Männer (mit altem Rollenverständnis) - die nicht so eloquent gebildet, etabliert und erfolgreich sind, wie ein Barack  Obama und andere männliche Repräsentanten einer sich wandelnden Männlichkeit - in einer Zeit in der klassisch "weibliche" Qualitäten wie Kommunikation, Kooperation und Vernetzung, u.a. an Bedeutung gewinnen.

 

 

 

 

 

Hänschen klein

 

(ursprüngliche Fassung) (18.Jahrhundert)

 

Hänschen klein
Ging allein
Stock und Hut
Steht ihm gut,
Ist gar wohlgemut.
Doch die Mutter weinet sehr,
Hat ja nun kein Hänschen mehr!
„Wünsch dir Glück!“
Sagt ihr Blick,
„Kehr’ nur bald zurück!“

 

Sieben Jahr
Trüb und klar
Hänschen in der Fremde war.
Da besinnt
Sich das Kind,
Eilt nach Haus geschwind.
Doch nun ist’s kein Hänschen mehr.
Nein, ein großer Hans ist er.
Braun gebrannt
Stirn und Hand.
Wird er wohl erkannt?

 

Eins, zwei, drei
Geh’n vorbei,
Wissen nicht, wer das wohl sei.
Schwester spricht:
„Welch Gesicht?“
Kennt den Bruder nicht.
Kommt daher sein Mütterlein,
Schaut ihm kaum ins Aug hinein,
Ruft sie schon:
„Hans, mein Sohn!
Grüß dich Gott, mein Sohn!“

 

Diese Fassung beschreibt den Initiationsprozess zum Erwachsenen, dem eine reife Mutter zustimmen kann. Sie weint dass „Hänschen“ mit ca. 14 Jahren in die Welt hinaus zieht, um z.B. eine Lehre zu beginnen, auf Wanderschaft zu gehen, sich den Gefahren dieser Welt zu stellen. Sie weiß nicht, ob das alles gut gehen wird, aber – sie stimmt ihm zu!

 

 

 

Bekannte Version:

 

Hänschen klein

 

 

 

Hänschen klein
ging allein
in die weite Welt hinein.
Stock und Hut
steht ihm gut,
er ist wohlgemut.
Doch die Mutter weinet sehr,
hat ja nun kein Hänschen mehr!
Da besinnt
sich das Kind,
kehrt nach Haus’ geschwind.